NORDIRAK
Zerissen zwischen den Welten
Maryam Rezaie: Nordirak – Deutschland
Khaled Rezaie: Nordirak – Deutschland – Nordirak
Maryam Rezaie* kommt in ihrer Unterkunft in Bayern nicht zur Ruhe. Es ist laut in dem Flüchtlingslager, in dem sie seit Monaten lebt. Sie leidet an Krebs und muss deswegen mehrmals die Woche zur medizinischen Behandlung zum nächsten Krankenhaus fahren.
Sie lebt in der ständigen Angst, dass es zu einem Covid-19 Ausbruch in der Unterkunft kommt und eine Ausgangssperre für alle Bewohner*innen verhängt wird. Dann könnte sie die notwendigen Behandlungen in der Klinik nicht fortführen. Neben ihrer gesundheitlich instabilen Lage wirkt sich die Isolation und die Trennung von ihrer Familie auf ihre Psyche aus: Sie ist allein in Deutschland und vermisst ihre vier Kinder im Nordirak und ihren Mann Khaled, der dorthin zurückgekehrt ist.
Geduldet, mehr nicht
Als Maryam im Nordirak Krebs im fortgeschrittenen Stadium attestiert wurde, schaffte es die Familie zunächst, eine medizinische Behandlung vor Ort zu organisieren. Doch die Therapien waren teuer. Schon nach kurzer Zeit waren sie tief verschuldet und musste nach anderen Möglichkeiten suchen, die Krebsbehandlung fortzusetzen. Maryam hatte Glück und erhielt ein Visum für die medizinische Behandlung in Deutschland. Gemeinsam mit Khaled, aber ohne ihre Kinder, die kein Visum erhalten hatten und bei Verwandten bleiben mussten, brach sie auf. Nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland entschieden die Behörden, dass Maryam und Khaled vorläufig geduldet sind. Sie durften also vorläufig bleiben. Eine Familienzusammenführung in Deutschland ist bei diesem Status jedoch ausgeschlossen.
Während die Monate vergehen und Maryam mehrmals operiert wird, geht es den Kindern im Irak ohne ihre Eltern immer schlechter. Schließlich plant Khaled seine Rückkehr. Er wendet sich an die Zentrale Rückkehrberatung (ZRB) Nürnberg und unterzeichnet den Vertrag zu einer Geförderten Rückkehr. Ihm werden ein Startgeld sowie die Übernahme der Miete in Nordirak für einige Monate zugesichert. Kurz nach seiner Ankunft kann Khaled wieder in seinen alten Job als Lehrer einsteigen. Nur wird der Lohn, wie bei staatlichen Angestellten im Nordirak üblich, selten, unregelmäßig und manchmal gar nicht ausgezahlt. Er versucht, sich und die Kinder durchzubringen. Das deutsche Rückkehr- und Reintegrationsprogram haben kurzfristig geholfen. Auf die Dauer aber ließ hat es nicht gereicht, die Lebensverhältnisse zu stabilisieren.
Die Familie befindet sich in einer verfahrenen Situation: Maryam wird in Deutschland weiter behandelt. Ob sie geheilt werden kann, weiß niemand. Ihre psychische Situation verschlechtert sich zusehends. Eine Familienzusammenführung wäre nur im Nordirak möglich. Dort aber gibt es für Maryam keine medizinische Behandlung. Und ein Besuchsvisum für Deutschland wird Khaled und den Kindern nicht gestattet. Die Situation lässt Maryam und Khaled verzweifeln. Das Rückkehrprogramm ermöglicht weder die medizinische Versorgung von Maryam noch das Zusammenleben der Familie. In dem Programm mag von einer „Perspektive und Neustart in der Heimat“ die Rede sein. Für Khaled hat sich das nicht bewahrheitet.
* Namen von der Redaktion geändert.